Der Wunsch, den erweiterten Telebereich zu erobern, erfüllt das "Kitobjektiv" mit seiner 18 - 55 mm-Brennweite leider nicht. Am besten wäre natürlich ein Superzoomobjektiv, das die komplette Bandbreite von Makro über Weitwinkel bis in den extremen Telebereich abdecken würde - aber gibt es solche Superoptiken, die dazu hochwertig, leicht, erschwinglich und preisgünstig sind ? Vermutlich nicht, doch ein Vertreter der sogenannten Superzoomklasse sollte sich hier zusammen mit zwei Zoomoptiken messen, die immerhin eine Brennweitenbandbreite vom leichten Tele- bis in den 300 mm-Bereich aufweisen. Bedingung dieses Vergleichstest war, dass sie im erschwinglichen Preissegment angesiedelt sind.
 

  Getestet wurden folgende Objektive:
 

      Typ Gewicht Baulänge* Geringste
Distanz**
Filter-
grösse
  ca. Preis


Tamron AF 28 - 300 mm / 3,5 - 6, 3 Ultra Zoom XR Aspherical Macro

420 g

9,5 cm /
18 cm    

31 cm

62 mm


€ 285


Canon EF 75 - 300 mm / 4 - 5,6 III

480 g

13 cm /
19 cm

131 cm

58 mm


€ 199

Sigma AF 70 - 300 mm / 4 - 5,6 II APO Macro Super
585 g

13 cm / 
19 cm

76 cm
(im Macromodus)

58 mm


€ 179

             
  * Baulänge: a) Zoom nicht ausgefahren / b) Zoom ausgefahren
**  die angegebene Distanz ist der reale Zwischenraum zwischen Objektivöffnung und Motiv

 
 1. Generelles zum Testverfahren

Die hier gezeigten Aufnahmen wurde idR nicht unter Studiobedingungen gemacht, sondern fanden draussen im Freien in der belebten Natur statt. Die Schwierigkeit hierbei besteht darin, geeignete Motive zu finden, die möglichst unbewegt sind und bei denen die übrigen Bedingungen grösstmögliche Situationsgleichheit zulassen. Um dieses Problem weitgehend in den Griff zu bekommen, wurden hier idR. ruhende Motive gewählt. Da eine Bewegung dennoch nie ganz auszuschliessen ist, wurde dieser Unsicherheitsfaktor durch eine Vielzahl von unterschiedlichen Motiven minimiert. Soweit hochauflösender Ausschnitte miteinander verglichen werden, wurde der Teil gewählt, der bei allen Vergleichsfotos am unbewegtesten ist. Fehler sind natürlich - trotz der gebotenen Sorgfalt - auch dabei nicht auszuschliessen.
  
Dieses Verfahren wurde vor allem deswegen Studiobedingungen vorgezogen, weil gezeigt werden soll, wie die Objektive in Situationen arbeiten, die einer entsprechenden Aufnahmesituation durch den Fotografen im Freien entspricht. Zudem sollten etwas ansprechendere Motive gezeigt werden können als dies üblicherweise in Testberichten der Fall ist.

2. Ausgepackt: Ersteindrücke, Features und Feeling

Tamron 28 - 300 mm
Als erstes fällt mir das Tamron-Superzoom in der Hand,  seine goldene Beschriftung, die kompakte Bauweise und das Ausfahren des Zooms wirken symphatisch, fast ein wenig edel - kein Wunder bei dem in diesem Test verhältnismässig hoch angesiedelten Preis. Neben dem AF-MF-Schalter befindet sich ein weiterer "Lock"-Schalter am Gehäuse, der verhindern soll, dass beim über die Schulter hängen das Zoom ausgefahren wird. Ein Feature, das für mich zumindest im Test keine praktische Bedeutung hatte.

Canon 75 - 300 mm
Kaum weniger solide und im Feeling fast mit dem Tamron vergleichbar ist das Canon, das allerdings bei eingefahrenem Zoom ein wenig mehr Platz in der Fototasche wegnimmt. Fokussier- und Brennweiteneinstellring lassen sich ohne Spielraum leicht bedienen, ohne dass der Eindruck entstehen würde, hier ein Billigobjektiv in den Händen zu halten.

Sigma 70 - 300mm
Der merklich schwerste Vertreter im Test bietet einen zusätzlichen Schalter, mit dem im Brennweitenbereich auf Macro-Einstellung umgestellt werden kann, dadurch lässt sich die Distanz von 1,5 m auf  95 cm (reale Distanz zwischen Motiv und Objekt sind 76 cm) Entfernung reduzieren. Eine etwas umständliche Lösung, bei der diese Distanzreduzierung auch ohne diese Schaltung hätte realisiert werden sollen (siehe Tamron). Der Zoom lässt sich nicht richtig rund herausfahren, im Anfangsbereich ist er zunächst schwergängiger was die Sache etwas hackelig erscheinen lässt. Ausgeliefert wird das Objektiv allerdings nicht nur - wie die übrigen Vertreter - mit einer Sonnenblende, sondern als einziges mit einer Tragetasche, die dazu einen recht hochwertigen Eindruck hinterlässt.
 

3. Blendencheck: Ebenenschärfe bei unterschiedlichen Blendeneinstellungen

Zunächst galt es herauszufinden, wie die Objektive in den unterschiedlichen Blendenbereichen arbeiten. Dazu wurde ein kleiner Fisch ausgewählt, der in seinem Aquarium erfreulicherweise stille hielt und beim Test neugierig zusah. Fotografiert wurde vom Stativ mit einer Brennweite um 75 mm. ISO-Wert 100, Weissabgleich für künstliche Lichtquelle bei höchster JPEG-Auflösung.
   

Das Übersichtsfoto, aus dem der Fisch für weitere Analysen berücksichtigt wurde

Überblick über Blendenauswirkungen und Schärfeeindruck bei voller Auflösung 

Schärfstes Foto des jew. Blendenbereichs

 
In der Übersicht der Blendeneinstellungen ist zunächst erstaunlich, dass beim Tamron trotz offener Blende (max f 5,0 bei Brennweite von 75mm) kaum Qualitätseinbussen bis höhere Blendenbereiche festzustellen sind. Erst ab f 25 lassen Schärfe und Lichtstärke deutlicher nach. Canon und Sigma arbeiten erwartunggemäss im mittleren Blendenbereich am besten, wobei das Sigma Unregelmässigkeiten zeigt, bei Blende f 14 schien der Autofokus sein Ziel nicht zu finden und Blende f22 offenbart eine von der Reihe abweichend gute Schärfequalität . 

Die ebenfalls hochauflösende Dreier-Gegenüberstellung der darunterliegenden Übersicht zeigt besonders an der Flossenstruktur, dass hier das Canon die grösste Schärfe bietet.

4. Analyse der unterschiedlichen Brennweitenbereiche

Für die Frage, was die Objektive in den jeweiligen Brennweitenbereichen leisten, wurde eine Gruppe von Pavianen ausgewählt. Auch hier wurde vom Stativ mittels Fernauslöser fotografiert. Die Belichtung wurde um zwei Drittelstufen reduziert und als Blendenwert kam f 10 zur Anwendung.

 
Das Übersichtsfoto: Mantelpaviane dösen in der Nachmittagssonne
 


Teilausschnitte in unterschiedlichen
Brennweiten



 
Die unterschiedliche Belichtungssituation erschwert ein wenig die Beurteilung, dennoch zeigt sich besonders in der Fellstruktur die deutlichste Zeichnung beim Canon-Objektiv. Um grössere Sicherheit in der Beurteilung zu finden, wurden drei weitere Motive in den Brennweitenbereichen 100 bis 300 mm fotografiert:
 

                          
 


der chinesische Leopard, ein Büffel und ein weiterer Pavian sollten die Brennweitenunterschiede der Objektive aufzeigen
 

Spätestens hier zeichnet sich ein recht eindeutiges Ergebnis ab: Die Schärfequalität des Canon-Objektivs liegt deutlich in Front, das Tamron bildet die Feinstrukturen zwar weniger genau ab, dies jedoch erkennbar besser, als es beim Sigma der Fall ist. Die Schere geht offenbar besonders in den grossen Brennweiten ab 200 mm auseinander.

 

5. Nahblick: was taugt der Makrobereich

Zwei der Objektive ziert in der Namensgebung der Zusatz "Macro", was auf Fähigkeiten im Nahbereich hindeutet. Um hier näher Aufschluss zu finden, wurde das Haus einer Schnecke fotografiert, die einen Durchmesser von etwa 5 mm hat. Als Referenz diente das "Kit-Objektiv" Canon 18-55 mm mit zwei Nahlinsen, da es sich durchaus mit den Makrospezialobjektiven messen kann (näheres dazu findet sich im Makrotest)
 

       nach längerer Wanderschaft zog sich die gefleckte
   Schüsselschnecke endlich in ihr Haus zurück und war
 aufnahmebereit

         

Überblick: das Schneckenhaus auf einem
vertrockneten Ahornblatt

 
Bei diesem Motiv erschwert der extrem schmale Schärfentiefebereich das Herausarbeiten der Gehäusestrukturen, so dass selbst beim Referenzfoto nur Teilbereiche wirklich scharf abgebildet wurden. Die Ausbeute der 3 Testobjektive dagegen scheint nicht so recht zu überzeugen. Das Sigma bietet zwar gegenüber dem Tamron bzw. Canon den grössten Abbildungsmasstab, doch das Ergebnis sieht eher flau aus - wenn auch etwas besser, als das Foto vom Tamron. Für 1,50 m Distanz zur Schnecke bietet die Canonlinse zwar noch eine relativ akzeptable Schärfe, aber die geringe Abbildungsgrösse und ein direkter Kontakt zum Motiv lassen kein Macrofeeling aufkommen.  

6. Addon: wie gut ist das Superzoom im Vergleich zum "Kitobjektiv" ?

Wie sich bisher zeigte, liegt das Tamron in der Abbildungsqualität zwischen dem Canon und dem Sigmaobjektiv. Der untere Brennweitenbereich reicht jedoch - im Gegensatz zu den beiden anderen Testoptiken - weit in die Domäne des Kitobjektives Canon Ef 18 - 55 mm hinunter, so dass sich ein Vergleich zu diesem anbietet:

 

             


Entscheiden Sie selbst - ich habe zumindest den Eindruck, dass hier das Tamron leichte Vorteile gegenüber dem Canon 18-55 mm hat. Details scheinen eine Idee besser herausgearbeitet zu sein.

7. Fazit

Wiedereinmal konnten nicht alle Bereiche in einem Vergleichstest berücksichtig werden. Beispielsweise achromatische Aberationen, jene feinen Farbränder um die Konturen herum oder perspekivische Verzerrungen sind bei diesem Bericht, der hauptsächlich im naturnahen Bereich angesiedelt ist, aussen vorgeblieben.

Natürlich stellt sich auch die Frage, ob die hier für Analysezwecke hochaufgelösten Testbilder auch in der Praxis Anwendung finden. Falls weniger detaillierte Aufnahmen beispielsweise für kleinformatige Ausdrucke oder im Internetbereich ausreichen, werden sicherlich auch Freude an einem Objektiv wie dem Sigma zu finden sein. Weitergehende Anwendungsoptionen und die vergleichsweise beste Qualität in dieser Testreihe bietet allerdings das Canon-Objektiv, das zudem preislich auf einer Linie mit dem Sigma liegt und bei dem die USM oder IS-Variante eine Überlegung wert sein dürfte. Das Tamron bietet durch seinen erweiterten Brennweitenbereich noch mehr Spielraum bei guter Qualität; dieser Luxus schlägt allerdings mit einem recht deutlichen Aufpreis zu Buche.

Die Fotos wurden - bis auf die Makroaufnahmen - im Tierpark Hagenbeck - Hamburg aufgenommen, bei denen ich mich ebenfalls für die freundliche Unterstützung bedanken möchte.

Weitere Testberichte

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Weitere Links:

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Objektivübersicht: was passt zur 300d, was macht Probleme und was kostet es ?

Festbrennweite Canon 50mm/1,8 II

5 Makroobjektive an der 300d

generelle Praxis-Tipps zur 300d finden sich hier:
http://www.traumflieger.de/desktop/fototechnik_300d_tipps.php

 


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